Netzwerk „Gemeinsam gegen Mobbing“ nimmt weiter Formen an
Mobbing ist ein Thema, das leider immer mehr Kinder und Jugendliche betrifft. Da aber nicht nur Betroffene, sondern auch Außenstehende, die Zeuge von Mobbing werden, oftmals nicht wissen, an wen sie sich wenden können, war es Sabine Dahmane, Leiterin des Kinderhauses St. Elisabeth, ein Anliegen, dies in Kelsterbach zu ändern.
Zunächst tauschte sie mit Daniela Cibis, Schulsozialarbeiterin der Karl-Treutel-Schule (KTS), Ideen aus, wie ein funktionierendes Netzwerk aufgebaut werden und wer sich daran beteiligen könnte. Im Sommer 2022 kam es dann zum Zusammenschluss der Schulsozialarbeit der KTS, der Bürgermeister-Hardt-Schule (BHS) und der Integrierten Gesamtschule (IGS) mit der Kita St. Elisabeth, der Schulkindbetreuung der KTS und der kommunalen Sozialarbeit – und das Netzwerk „Gemeinsam gegen Mobbing“ war geboren.
„Unser erklärtes Ziel ist es, Kelsterbach-weit einen roten Faden zu spannen, den Kinder, aber auch Eltern von der Kita bis zur weiterführenden Schule nachverfolgen können. Sie sollen immer wissen, wie sie sich schützen und an wen sie sich wenden können“, so Cibis. Dafür müsse allerdings zunächst einmal klar vermittelt werden, was Mobbing eigentlich ist. „Der Begriff Mobbing wird aktuell sehr inflationär verwendet“, sagt Dahmane. Den Kindern müsse klar gemacht werden, worin der Unterschied zwischen einem Streit oder Konflikt und Mobbing liege. An der BHS beispielsweise wurde das als Teil eines Projekts für die dritten und vierten Klassen kindgerecht erläutert: „Wir wollen mit solchen Aktionen ein Bewusstsein schaffen, das Kinder in die Lage versetzt, aufeinander Rücksicht zu nehmen, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen und dadurch Mobbing keine Chance geben“, so Katrin Hoffmann, Schulsozialarbeiterin an der BHS.
Streit und Ärger fühlen sich auch nicht schön an, aber Mobbing habe eine ganz andere Intensität, so Dahmane. Es sei wichtig, den Kindern schon früh beizubringen, mit Streit und Konflikten umzugehen. Sie müssen lernen, dass es okay ist, sich zu streiten und auch mal laut zu werden. In der Kita gebe es dafür spezielle Projekte, wie das Basteln von Wutbällen oder das Bereitstellen von Brülleimern, erklärt Dahmane: „Da dürfen sich die Kinder dann abreagieren. Das ist wichtig, denn man darf nicht unterschätzen, was sich schon im Kindergartenalter bei einem Kind so über den Tag verteilt anhäuft.“
Während es bei Streitigkeiten in der Regel gelingt, Dampf abzulassen und die Wogen zu glätten, sieht das bei Mobbing anders aus. Mobbing zeichne sich dadurch aus, dass es keinen besonderen Anlass geben muss, um von einer oder mehreren Personen immer und immer wieder gedemütigt, geschlagen oder beschimpft zu werden. Das Perfide daran: „Hier hört der Druck nicht auf, selbst wenn man zuhause ist“, so Cibis. Das Mobbing setze sich oft in den sozialen Medien oder in WhatsApp-Gruppen fort. Dieser andauernde Druck führe dazu, dass viele betroffene Kinder und Jugendliche Angstzustände bis hin zu Suizidgedanken hätten, da sie keinen Ausweg aus der Situation sehen und auch nicht erkennen, dass das Problem nicht bei ihnen, sondern bei den Personen, von denen das Mobbing ausgeht, liegt.
Es sei enorm wichtig, auch die Eltern nicht nur für das Thema Mobbing im Allgemeinen zu sensibilisieren, sondern zudem mehr Achtsamkeit in Hinsicht auf den Umgang ihrer Kinder mit sozialen Medien aufzubauen. Viele Kinder nutzen Medien, die ihre Eltern gar nicht kennen. Die Erwachsenen sind oftmals ahnungslos, was es für neue Medien gibt, in denen sich Hass und Mobbing verbreitet. Sie müssen wissen, was ihre Kinder nutzen und vor allem wie sie es nutzen. Da sind Kinder viel zu oft allein gelassen, auch mit ihren Ängsten und Problemen, die daraus resultieren.
Dass Eltern generell ein wichtiger Schlüssel dafür sind, dass die Arbeit des Netzwerks funktioniert, darüber herrscht bei allen Beteiligten Einigkeit. Gabriele Stutz, Schulsozialarbeiterin an der IGS, sagt dazu: „Wir würden uns wünschen, dass Eltern insgesamt etwas mehr Interesse an dem Thema zeigen.“ Oftmals sei das Interesse erst da, wenn die eigenen Kinder betroffen sind. Anna Brückner von der kommunalen Sozialarbeit ergänzt: „Wir können Kinder nur stärken, wenn uns die Eltern unterstützen. Wenn sie sich nicht beteiligen, untergräbt das unsere Bemühungen.“
Informieren, zuhören, helfen – Die Ziele des Netzwerks
Seit dem Aufbau von „Gemeinsam gegen Mobbing“ ist viel passiert. Doch das sei erst der Anfang, so Dahmane. Im Laufe der Monate habe sich eine klare Struktur entwickelt, doch langfristig soll das Netzwerk noch weiter ausgebaut werden. Denn eines ist den Beteiligten durch den regelmäßigen Austausch klar geworden: Mobbing ist ein weit verbreitetes Problem, dessen Wurzeln bis in die Kindergärten zurückreichen. Es muss in der Gesellschaft sichtbarer gemacht werden, damit Kindern ein gestärktes soziales Umfeld geschaffen und Kitas wie Schulen zu sicheren Häfen werden können.
Ein erster Schritt zur besseren Sichtbarkeit war eine gelungene Auftaktveranstaltung des Netzwerks im vergangenen September, bei der über 50 Interessierte zu einem Vortrag des selbst viele Jahre von Mobbing betroffenen Autors Norman Wolf gekommen waren. Danach gab es an den Schulen und der Kita verschiedene Aktionen und Projekttage zu dem Thema, die auch in Zukunft regelmäßig stattfinden sollen.
Für dieses Jahr sind noch zwei größere Aktionen geplant. So wird sich das Netzwerk auf dem Altstadtfest mit Angeboten für Kinder im Stadtteilzentrum Pfarrgasse vorstellen. Zudem ist für Dienstag, 4. November, um 17 Uhr, in der Mensa der IGS ein Vortrag zum Thema von Marc Heinrich, dem Schutzmann vor Ort, für Fachkräfte, Eltern und alle anderen Interessierten geplant. Heinrich hat an der KTS bereits im vergangenen November in allen dritten Klassen und im Frühjahr diesen Jahres in allen vierten Klassen zu dem Thema referiert.
Dahmane und ihre Mitstreiterinnen hoffen nicht nur, dass sie mit den Informationsveranstaltungen und Projekten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ein größeres Bewusstsein für das Thema schaffen und allen Betroffenen eine Anlaufstelle bieten können. Sie hoffen ebenfalls, Sponsoren zu finden, mit deren Hilfe zukünftige Aktionen des Netzwerks finanziert werden können. Denn es bedarf noch viel Arbeit, um den roten Faden im Kampf gegen Mobbing durch Kelsterbach zu spannen.